Resilienztraining: „Ein Mal waschen, schneiden, fönen bitte.“
Resilienztraining: „Ein Mal waschen, schneiden, fönen bitte.“
“Was ich in meinem Leben gelernt habe: nicht alles so ernst zu nehmen!“ sagt meine Friseurin Jasmina und lächelt. Seit acht Jahren bin ich ihrer Haarschneidekunst und ihrem gelassenem Blick auf Gott und die Welt treu. „Gerade in meinem Beruf mit so vielen verschiedenen Kunden und neun Stunden auf den Beinen muss man ein bisschen locker sein.“ sagt sie und befreit meine Stirn von ein paar lästigen Haarstoppeln.
Nicht alle Menschen sind so entspannt und resilient wie Jasmina. Im Gegenteil, es scheint immer mehr Menschen zu geben, die sich überfordert, ausgelaugt und permanent an der Grenze ihrer Belastbarkeit fühlen. Man könnte glatt neidisch auf Jasmina werden. Wie macht sie das bloß? Wie hat sie ihre persönliche Resilienz, die innere Widerstandskraft, so stabil hinbekommen?
Jasmina hat, wie sie sagt, für ihr Leben am meisten aus den tausenden Gesprächen mit ihren Kundinnen und Kunden gelernt. „Ich lebe das Leben meiner Kunden mit! Gerade bei den langjährigen Kunden.“ sagt sie.
Und ich stelle mir vor, wie sie gleichzeitig mehrere Leben und unzählige Lebenserfahrungen miterlebt hat. Wie jeder ihrer Berufstage sie bereichert hat um die Sichtweisen und Erkenntnisse, die andere Menschen gemacht haben: mit Alltagsproblemen und deren Lösungen, mit Konflikten und deren Bewältigung, mit Stress und dem individuellen Umgang damit, mit Freude und Traurigkeit, mit Glück und Schmerz, mit Geburt bis Tod. Jeder Tag ein unbewusstes, intensives Resilienztraining. Über 30 Jahre lang!
Ich beobachte, wie zugewandt, tolerant und entspannt Jasmina mit den Menschen umgeht. Sie erscheint mir wie ein Resilienzfels in der Brandung.
Als ich den Friseurladen mit neuem Haarschnitt verlasse, denke ich mir, diese 30 Minuten haben meine Resilienz ebenfalls ein wenig gestärkt. Zum Waschen, Schneiden, Fönen gehe ich in drei Wochen gerne wieder, um eine Portion Gelassenheit und ein Lächeln abzuholen.